Stolpersteine


Foto: Carsten Maehnert


Am 3. November 2025 wurden erneut Stolpersteine in Celle verlegt. Leider kann der Künstler Gunter Demnig dieses Mal aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anwesend sein. Sein Assistent Frank-Matthias Mann hat ihn aber vertreten. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Celle, die die Trägerschaft dieses Projektes hat, wird wie immer tatkräftig von der Stadt Celle unterstützt. Finanziert wird das Projekt aber durch private Spenden Celler Bürger. Bei dieser Verlegung haben wir uns zum Ziele gesetzt, einige der Celler jüdischen Familien vor ihren ehemaligen Wohn- oder Geschäftshäusern wieder zusammenzuführen und auch für überlebende Familien Steine zu verlegen.


Die Texte sind von Sabine Maehnert. Sie ist auch Ansprechspartnerin für weitere Informationen.


Foto: Carsten Maehnert


Foto: Carsten Maehnert


Foto: Carsten Maehnert


Familie Meyer, Robert-Meyer-Platz 1

Hier hatte Robert Meyer (geb. 1894 in Celle, ermordet 16. März 1943 in Auschwitz) sein Kaufhaus Hamburger Engros. Für ihn ist bereits vor einigen Jahren ein Stein vor diesem Haus, heute Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, verlegt worden. Nun wird die Familie durch die Steine für seinen Sohn Robert Adolf Meyer (geb. 27.2.1901 in Celle), dessen Frau Irmgard (geb. Meyerbach am 3.8.1901 in Lippstadt), dessen Tochter Ilse Meyer (geb. 25.7.1928 in Celle) und Robert Adolfs Schwester Gertrud Meyer, (geb. 14.10.1904 in Celle) komplettiert.
Nachdem Robert Meyer sein Kaufhaus 1929 an die Fa. Karstadt verkauft hatte, war die ganze Familie in höheren Positionen bei Karstadt angestellt. Aber schon 1933 entließ Karstadt auf Druck der NSDAP und um dem Gerücht entgegenzutreten, Karstadt sei ein jüdischer Konzern, alle sein jüdischen Mitarbeiter.
1937 verließen Robert Meyers Kinder Deutschland in Richtung USA. Sie sind auch ein Beispiel dafür, dass die jüngeren Menschen oftmals viel eher bereit waren, Celle und Deutschland zu verlassen. Sie sind so der KZ-Haft und Ermordung entronnen. So war es auch im Fall der Familie Meyer: Den Kindern ist zwar die Flucht in die USA gelungen, aber die Ermordung ihres Vaters und Großvaters in Auschwitz ist für sie bis zum heutigen Tag eine traumatische Erinnerung. Als vor einiger Zeit die Ur-Ur-Enkelin in Celle war, hat sie davon berichtet, dass bis zum heutigen Tag nicht über diese schmerzhafte Erinnerung in der Familie gesprochen wird. Lediglich ein Foto des Meyer‘schen Kaufhauses erinnert die Familie heute noch an Celle.

Familie Wolff, Zöllnerstraße 44

1922 übernahm der aus Aurich stammende Siegfried Wolf das Manufakturwarengeschäft von Julius Joseph im Haus Zöllnerstraße 44. Im selben Jahr heiratete er Siegfried Käthe Schickler aus Lüneburg. Das Paar bekam drei Kinder in Celle: Gerda (geb. 1923), Herbert (geb. 1925) und Eva (geb. 1928). Siegfried Wolff war mehrere Jahre Vorsteher der Celler jüdischen Gemeinde. Sein Geschäft wurde in der Pogromnacht wie auch die anderen jüdischen Geschäfte und Einrichtungen total zertrümmert. Die Waren und das Inventar wurden auf die Straße geworfen und schließlich angezündet. Der im Haus eingeschlossenen Familie kam die Celler Feuerwehr zur Hilfe. Am nächsten Tag wurde Siegfried Wolff mit den anderen Celler Juden in das Konzentrationslager Sachsenhaus transportiert. Während der Abwesenheit des Familienvaters liquidierte Käthe das Geschäft und verkaufte das Haus. Allerdings mussten sie fast mittellos Celle verlassen, denn sie hatten die entstandenen Schäden vom 9. November zu bezahlen.
Siegfried und Käthe konnten mit ihrem Sohn Herbert aus Deutschland in Richtung Panama fliehen. Die beiden Töchter Gerda und Eva erreichten England mit einem Kindertransport. Erst 1945 fand die Familie wieder zusammen.
Käthe Wolffs Eltern, Hulda und Adolf Schickler, waren 1942 in das Celler Judenhaus Im Kreise 24 gebracht worden. Von dort deportierte man sie im Mai 1943 nach Theresienstadt.  Die widrigen Lebensumstände überlebten sie nur kurz. Für beide liegt bereits ein Stolperstein an der Synagoge.

Familie Hellmann, Mauernstraße 38

Der Kaufmann Heinrich Hellmann wurde 1894 in Lodsch/Polen geboren, zog 1925 nach Celle und eröffnete zuerst ein Geschäft am Heiligen Kreuz 30. Schon 1927 erwarb er das günstiger gelegene Haus Mauernstraße 38. Mit seiner aus München stammenden Ehefrau Berta Nass hatte er zwei Kinder - Emil-Jakob, in Celle am 6. Oktober 1927 geboren, und Helene, geboren am 5. Mai 1933 in Celle. Heinrich verstarb schon am 29. Oktober 1935 erst 41 jährig. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Jüdischen Friedhof in Celle. Sein Grabstein ist noch heute erhalten.
In der Pogromnacht wurde auch das Hellmannsche Geschäft stark verwüstet. Das Gesetz vom 12. November 1938 „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ zwang Berta Hellmann das Haus zu verkaufen. Auch sie musste aus dem Erlös die Schäden der Pogromnacht bezahlen.
Im Dezember 1938 heiratete Berta Hellmann ihren Angestellten Theodor Braunschweiger. Auch er war am 10. November 1938 in das KZ Sachsenhausen deportiert worden und hatte sich dort mit Tuberkulose angesteckt. Nach seiner Entlassung emigrierte er nach Shanghai. Aufgrund seiner Erkrankung und den schlechten Lebensumständen dort verstarb er schon 1941.
Berta Braunschweiger wollte natürlich mit den Kindern ihrem Mann folgen, musste aber den Auswanderungstermin verschieben, weil der Verkaufsvertrag für ihr Haus nicht rechtzeitig vom Regierungspräsidenten genehmigt worden war. Auch der nächste mögliche Termin war in Gefahr. Sie emigrierte aber aufgrund der immer bedrohlicher werden Umstände ohne den Abschluss des Vertrages abzuwarten und setzte einen Bevollmächtigten ein. Er erreichte einen Verkaufsvertrag, dessen Summe allerdings viel zu niedrig war. Dafür erhielt sie nach 1945 eine Entschädigungszahlung.
Ihre Kinder Helene und Emil-Jakob besuchten erstmals 1985 auf Einladung der Stadt ihren Geburtsort Celle. Später kamen sie auch auf privaten Reisen nach Celle, besonders auch um ihren Kindern und Enkelkindern hier die Stätten ihrer Jugend zu zeigen und auch um über die Schwierigkeiten ihrer Mutter, einen neuen Lebensabschnitt zu starten, zu erzählen.





Im August 2025 sind verlegt worden:
Zöllnerstraße. 5: Lieselotte Löwenstein
Zöllnerstraße 35: Victor, Frieda, Hans-Werner, Kurt-Walter Roberg
Robert-Meyer-Platz 3: Hans, Berta Lea und Ingeborg Salomon
Westcellertorstraße 1: Gerhard und Grete Salomon.

Die Resonanz auf die Übernahme von Patenschaften für Stolpersteine war überwältigend. So konnten wir am  12. August 2024 Steine für Celler Juden und Jüdinnen verlegen, die den Holocaust überlebt haben. Mit dieser Aktion sollten die Familien im Gedenken wieder „zusammengeführt" werden.

Die Verlegeaktion im Februar 2024 mit dem Künstler Günter Demnig begann vor dem Haus Zöllnerstraße 5. Hier wohnte und arbeitete die Familie Löwenstein und betrieb dort ein Schuhgeschäft. Sie verließ 1938 fluchtartig Deutschland in Richtung Argentinien.
Weitere Steine werden an diesem Tag vor dem Haus Hehlentorstraße 14 ihren Platz finden. Julius Wexseler hatte dort bis zum 1. Januar 1939 eine Textilhandlung. Für Julius Wexseler, seine Frau und den Sohn Alexander liegen bereits Steine. Die neu zu verlegenden Steine werden dann an die Familie der Tochter Rosa Wexseler, die in einem Versteck in Ostpreußen überlebt hat, erinnern.
An der dritten und letzten Verlegestelle des Tages Im Kreise 23 wird die Erinnerung an die große Familie Feingersch durch Steine für die überlebenden Familienangehörigen ergänzt. Fünf Söhne der Familie emigrierten Ende der 1930er Jahre nach Palästina. Benjamin Feingersch überlebte Auschwitz und übersiedelte dann zu seinen Brüdern nach Palästina.






Im Kreise 23
2004 wurden der dem Gemeindehaus der alten jüdischen Gemeinde. Im Kreise 23, Stolpersteine für die ermordeten Mitglieder der Familie Feingersch gesetzt: Isaak, Rebekka, Marie, Fanny, Rosa und Hermann Feingersch. Jetzt wurden diese um die Steine für David, Moses, Rafael, Sally, Elias und Benjamin Feingersch ergänzt. Isaak Feingersch wohnte mit seiner Familie im Haus Im Kreise 23. Sie hatten vor, nach Palästina auszuwandern. Sohn David lebte seit 1934 dort. Doch Isaak, Rebekka und Hermann wurden 1941 nach Riga deportiert und in Konzentrationslagern ermordet. Zur Vorbereitung auf die Auswanderung waren die Töchter in sogenannten Vorbereitungslagern in Holland. Von dort wurden sie in das KZ Westerborg transportiert, nach Ausschwitz weitergeleitet und ermordet. Der zweitjüngste Sohn Benjamin war in einem Vorbereitungslager in Neuendorf-Fürstenwalde. Auch er wurde nach Ausschwitz transportiert. Durch Schindlers Liste wurde er gerettet. Er erreichte Ende 1945 Palästina auf einem illegalen Schiff.


Hehlentorstraße 14
Für Julius und Anna Wexseler und deren Sohn Alexander wurden bereits Stolpersteine vor dem Haus Hehlentorstraße 14 verlegt, jetzt folgten Steine für Paula Wexseler, Rosa und Rudolf Karmeinsky und deren Tochter Christel Karmeinsky. Julius Wexseler hatte seine erste Stelle im Kaufhaus Freidberg und machte sich in dem von Otto Haesler erbauten Gebäude selbstständig. Die Wexselers waren ein aktiver Teil der Celler Stadtgesellschaft. Julius Wexseler musste sein Geschäft aufgrund der vielfältigen Repressalien gegen Celler Juden aufgeben. Rosa und Rudolf Karmeinsky konnten sich zusammen mit ihrer Tochter Christel in Ostpreußen verstecken. Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee wurde Rudolf Karmeinsky von der Gestapo erschossen. Rosa kehrte mit ihrer Tochter nach Celle zurück. Sie wanderte später in die USA aus. 1985 kehrte Rosa Karmeinsky auf Einladung der Stadt einmal nach Celle zurück. Vor einigen Jahren konnte auch die Tochter Christel mit ihrem Enkelkind begrüßt werden.


Zöllnerstraße 5
Für Jakob Löwenstein wurde bereits vor dem Haus Zöllnerstraße 5 ein Stein gesetzt, jetzt folgten die Steine für Lilli, Erich, Lieselotte und Hans-Werner Löwenstein. Das Ehepaar Jakob und Lilli hatte zwei Kinder: Erich und Hilde (gestorben 1926). Erich absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in Bückeburg und Hamburg. 1930 kam er zurück nach Celle. Im Januar 1936 trat er in das väterliche Geschäft ein. Nach der Pogromnacht 1938 sahen sich Vater und Sohn gezwungen, das Geschäft aufzugeben und das Haus an der Zöllnerstraße zu verkaufen. Erich und Lieselotte emigrierten 1938 mit ihren dreijährigen Sohn Hans-Werner nach Argentinien. Jakob Löwenstein musste Zwangsarbeit in der Munitionsfabrik Liebenau leisten, wo er mit 67 Jahren starb. Danach emigrierte Lilli Löwenstein auch nach Argentiniern. 1985 kehrte Erich Löwenstein auf Einladung in seine Geburtsstadt Celle zurück. Sein Sohn Hans-Werner wurde später mit seiner Ehefrau durch die Gesellschaft für Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit Celle eingeladen. Es gab einen engen Kontakt bis zu dessen Tod 2023.


Celle war einer der ersten deutschen Städte, die Stolpersteine ermöglicht hat. Knapp 90 Steine findet man nun in Celle. Der Künstler Gunter Demnig verlegt seit 1992 Steine, am 21.02.2022 zwölf weitere. An diesem Tag sind viele Beobachter dabei, es gibt Musik von der jüdischen Gemeinde und rote Nelken werden neben die Steine gelegt. Am Oberlandesgericht ist der Enkel von Dr. Richard Katzenstein, Michael Katzenstein, dabei.
Informationen zu den in Celle verlegten Stolpersteinen finden Sie auf der Seite der Stadt Celle .